Artikel aus der "Neuen Braunschweiger"







Vier Jahre lang auf der Suche nach der richtigen Diagnose Borreliose: Die Symptome sind sehr breit gefächert, die Krankheit tritt in Schüben auf

Von Annette Heinze


Braunschweig. „Beim Pilzesammeln hat es mich erwischt“, sagt Dr. Eckhard Hermstedt. 1995 stach ihn eine Zecke. Am nächsten Tag zeigte sich die Wanderröte. Eine Ärztin entfernte die Zecke, verschrieb für 14 Tage ein Antibiotikum. Der Zeckenstich schien optimal behandelt worden zu sein. Ein Trugschluss. „Inzwischen weiß ich, dass die zwei Wochen ein viel zu kurzer Zeitraum sind“, sagt Hermstedt (Jahrgang 1937), „ich bin das beste Beispiel dafür.“ Kurze Zeit nach der Behandlung begann es ihm schleichend schlechter zu gehen: „Ich bekam Gelenkschmerzen, mein Konzentrations- und mein Kurzzeitgedächtnis ließen nach“, beschreibt er. Die Gelenkschmerzen wanderten, mal schmerzten die Schultern, mal die Knie: „Ich war allgemein erschöpft und lustlos, meine Dynamik, die mich früher ausgezeichnet hatte, war weg.“ Die Beschwerden sahen weder die Ärzte – darunter ein Rheumatologe, ein Internist und ein Psychologe – noch der Patient selbst im Zusammenhang mit dem Zeckenstich: „Die Symptomatik ist sehr, sehr breit gefächert, das hat die Folge, dass viele Ärzte überhaupt nicht auf die Borreliose kommen“, sagt der promovierte Naturwissenschaftler. Oft werde zum Beispiel irrtümlicherweise auf Rheuma behandelt. „Ich wurde oft als Simulant angesehen.“ Bis die Beschwerden auftraten, war Hermstedt als selbstständiger Unternehmensberater nach eigenen Worten ein „Workaholic“ gewesen: „Das war auf einmal alles vorbei. Ich fiel in ein tiefes schwarzes Loch.“ Auf eine Diagnose Borreliose kamen der Patient und seine Frau selbst: „Meine Frau hörte im Radio eine Sendung über die Symptome von Borreliose und fand mich zu 100 Prozent beschrieben.“ Daraufhin ließ sich Hermstedt auf Borreliose testen. Der Laborwert war außergewöhnlich hoch, die Infektion sehr ausgeprägt. Der Patient ging auf die Suche nach der Therapie. Auch diese musste er, so Hermstedt, „dem Spezialisten“ schließlich selbst vorschlagen: „Ich war mit meinem Wissen deutlich weiter als er.“ Durch eigene Recherchen im Internet war der Patient auf ein Antibiotikum gestoßen, dass speziell auf Borreliose abgestimmt und über Monate zu verabreichen war. Heute ist Hermstedt, wie viele andere von der Krankheit Betroffene, Experte in Sachen Borreliose. Er weiß, dass nicht bei jeder Infektion die Wanderröte auftritt, dass es bis zum Ausbruch der Krankheit Jahre dauern kann und er kennt die drei Phasen der Borreliose. Sie tritt in unterschiedlich starken Schüben auf. Dr. Eckhardt Hermstedt hat gelernt, mit den Folgen der Borreliose zu leben. Wichtiges notiert er sich, damit er es nicht vergisst. Um sich beweglich zu halten, macht er Gymnastik, spielt am Computer und Skat: „Ich weiß nie, wer gegeben hat“, erzählt er, „aber ich spiele schon sehr lange Skat, das was früher war, weiß ich noch.“ Auch Pilze sammeln geht er weiter. Zur Vorsicht trägt er helle Socken, steckt die Hosen ein. „Zecken bewegen sich schnell und immer nach oben“, sagt der Borreliose-Betroffene. Er empfiehlt, sich nach Waldgängen schnell nach Zecken abzusuchen und die Wäsche bei mindestens 50 Grad zu waschen: „Das Prinzip Hoffnung ist fahrlässig, es kann jeden treffen. Niemandem soll es so gehen wie mir.“